Tanner schlendert gern so vor sich hin. Ihm wird nachgesagt, dass er dabei gern Löcher in die Lüfte starrt und schmunzelnd das Blaue vom Himmel fantasiert. Trotzdem fallen ihm so kleine Lädchen auf seinem Wege auf, besonders auf seinem Heimwege von seinem Büro. Anja Skonieczny lächelte nun aus solch einem Lädchen und Tanner konnte garnicht anders: er ging hinein:
Volly Tanner: Guten Tag, Anja Skonieczny – Du bist die MIMA-Herrin hier in der Josephstraße. Warum gerade hier?
Anja Skonieczny: Ja guten Tag, ich freue mich sehr über dein Interesse, lieber Volly! Herrin über das MIMA … Hmmm – das muss ich erst mal sacken lassen. Ich glaube, das MIMA und ich sind eher ein Team, das sich gegenseitig bereichert. Besonders jetzt, wo das MIMA zum MIMA Vintage Lädchen herangewachsen ist und so vieles mehr unter seinem Mäntelchen bündelt, als nur meine eigenen Ideen und Produkte. Warum die Josephstraße? Genau wie das MIMA ganz behutsam und organisch gewachsen ist, ist es auch mit der Wahl des Standortes gewesen. Beziehungsweise habe ich nur bedingt gewählt, der Rest war – wie so oft im Leben – eine Mischung aus ein bisschen Glück, dem richtigen Timing und der nötigen Entschlossenheit, es anzupacken. Da fällt mir ein, mein erstes Geschirr habe ich vor etwa drei Jahren, kurz nach meinem Umzug ins zauberhafte Leipzig, in der Josephstraße gebohrt! In den Gemeinschaftsgärten bin ich sofort auf offene Türen, helfende Hände und nette Leute getroffen! An eine eigene Werkstatt war noch nicht zu denken. Herrje, damals ist noch einiges schief gegangen mit den sensiblen Tellerchen. Naja, irgendwann waren Geschirr & CO (das schließt meinen lieben Partner mit ein) auf 38qm einfach nicht mehr tragbar und ich fand in der Klingelstraße eine, nun ja, spezielle aber charmante erste Werkstatt. Vergangenen Sommer bot sich die Gelegenheit, in die etwas komfortablere Werkstatt in den hinteren Räumen des VIVO37 einzuziehen. Das jetzige MIMA kennen einige vielleicht noch als Galerie. Nun ja und Anfang diesen Jahres hätte ich dann beinahe schon wieder meine Taschen (hihi und Tassen) packen müssen, weil das Hauptmietverhältnis aufgelöst werden sollte. Da ich seit Jahren eigentlich an nichts so leidenschaftlich und intensiv arbeite, wie an der Eröffnung eines eigenen Ladens, war relativ schnell klar, wo die Reise hingeht – und dann wurde kräftig geplant – gebaut und schließlich eröffnet. Habe ich jetzt überhaupt auf deine Frage geantwortet? Ich hoffe…
Volly Tanner: Was steckt denn hinter MIMA?
Anja Skonieczny: Das ist auch eine Frage, die ich leider schwer in kurze Worte fassen kann. Ich versuch es mal. Also zunächst einmal ist MIMA ein Herzensprojekt und ein Teilergebnis vom jahrelangen Luftschlösser bauen und träumen. Wobei der Traum darin bestand, tun zu können, was ich denke gut zu können – nämlich neugierig sein auf meine Umwelt und die Materialien, die mich umgeben, Ideen entwickeln und handwerklich arbeiten. Auch wenn ich eigentlich etwas ganz anderes studiert habe (*räusper* Facility- und Immobilienmanagement), war und bin ich in meiner Freizeit doch schon oft ein kleiner Eigenbrötler und kann Stunden mit mir und dem tüfteln und arbeiten neuer Ideen verbringen. Naja und um Luftschlösser und Seifenblasen greifbar zu machen und – ich greife da mal deine Eingangsbezeichnung auf – Herrin meines Luftschlosses zu werden, war klar, dass mit allem Ideen entwickeln, planen und tüfteln auch Geld in die Haushaltskasse kullern muss. Ja und nach einigen eher mäßig zufriedenstellenden Versuchen in meinem gelernten Job ordentlich Kohle zu verdienen und so die ersten Steine für`s Schlösschen zu legen, habe ich mich entschlossen nicht länger Lebenszeit zu vergeuden und meine Energie ganz und gar dem „Kreativen Schaffen“ zu widmen. Egal was in den nächsten Monaten und Jahren mit dem MIMA und mir so wird – das war einfach mal die richtige Entscheidung. Ach ja, MIMA steht übrigens für MISCHMASCH. Warum? Weil mich so vieles interessiert und ich schon bei der Gründung wusste, dass ich die Geschirre zwar sehr spannend finde, ich mich aber unmöglich ausschließlich darauf festlegen kann.
Volly Tanner: Wie kommst Du an die feinen Stücke heran? Ist ja schon äußerst ausgewählter Stoff.
Anja Skonieczny: Hm, das ist ganz unterschiedlich. Angefangen habe ich mit einem eigenen Bestand an Geschirren, der hauptsächlich aus den Schätzen meiner Oma bestand. Außer mir hatte in meiner Familie nicht wirklich jemand Verwendung dafür. Ich fand die besondere Ästhetik der alten Geschirre schon immer sehr anziehend! Die liebevolle und aufwändige Verarbeitung von Produkten ist auch ausschlaggebend für meine große Leidenschaft zum Vintage-Charme. Nun ja, irgendwann hat der ein oder andere von meiner kleinen Geschirr-Werkstatt gehört und ich bekam teilweise ganze Plastikwannen voll mit Geschirr geschenkt! Oftmals sind es ältere Herrschaften oder deren Kinder und Enkel, die es einfach nicht übers Herz bringen, die einst so liebevoll gesammelten Stücke dem Scherbenhaufen zu überlassen. Ihnen gefällt, was ich aus den Geschirren so alles fertige und sie überlassen sie mir gern zur Weiterverarbeitung. Nun ja und da ich zudem bekennender Flohmarkt-Fan bin und immer, wenn es zeitlich möglich ist, mein Schlösschen verlasse, um neue Schätze zu erstöbern, hat sich bis heute ganz schön was angesammelt. Vor allem florale Rosen- und andere florale Dekore haben es mir angetan. Sachen, die ich selber nicht so recht verwenden kann, verschenke ich weiter. Vor dem Laden steht immer eine kleine “Zu Verschenken Kiste“ mit Porzellanstücken.
Volly Tanner: Und wie kam es, dass Du zur Chefin wurdest & Dein eigenes MIMA-Imperium zur Welt brachtest?
Anja Skonieczny: Hihi. Imperium klingt so mächtig und groß. Am Ende bündelt das MIMA Vintage Lädchen viele Dinge, die ich selber sehr mag und schätze. Das betrifft nicht nur die Philosophie vom Laden sondern auch die Künstler und Produkte, die hier eingezogen sind und einziehen werden. Ziel wurde es, einen Lieblingsort für Vintage-Liebhaber und große Kinder zu schaffen. In früheren Arbeitsverhältnissen habe ich mich immer recht schnell wieder suchend gefühlt. Ich wusste, ich kann den Job eine Weile machen, kann dem Unternehmen mit meiner Arbeit was geben und selber auch Erfahrungen mitnehmen aber am Ende wusste ich, es waren Zwischenlösungen auf dem Weg zum eigentlichen Ziel. Ich nehme mein Umfeld sehr sensibel und aufmerksam war, deshalb sind mir Defizite, besonders wenn es um Kommunikationsstrukturen innerhalb von Unternehmen geht, immer schnell aufgefallen und aufgestoßen. Naja und da ich im aussitzen nicht gut bin, entstand irgendwann der Wunsch, es vielleicht besser zu machen. Damit meine ich, nicht besser im Sinne von: „Anja-Altklug weiß, wie es besser geht!“ Vielmehr wünsche ich mir, mittelfristig im MIMA auch ein, zwei Arbeitsplätze schaffen zu können und denke, dass Empathie nicht der schlechteste Begleiter bei der (Mit)gestaltung eines Arbeitsplatzes ist.
Volly Tanner: Hinter solch einem Laden muss zwangsläufig eine Weltsicht stehen, sonst würde mensch das anders machen, platter und massenkomformer. Welche ist Deine Sicht auf das dauerrockende Pferd Kapitalismus?
Anja Skonieczny: Da hast du wohl recht, ein Stück Idealismus schwingt da schon mit. Jeder halbwegs bewusste Mensch, der die 20er hinter sich gelassen hat, kennt wohl die quälenden aber auch bereichernden Phasen der Selbstfindung, der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Suche nach seinem Platz in dieser kleinen großen Welt. Persönliche Erlebnisse und prägende Ereignisse machen das Süppchen komplett. Und so wurde das Rezept für mein persönliches Lieblingssüppchen eine Mischung aus altbewährter Küche und der Lust und Neugier neue Zutaten auszuprobieren. Ein bisschen Liebe ein Quirlen und das Ganze gut durchziehen lassen. Was das Pferd vor meiner Kutsche betrifft? Ich würde sagen, ich koche das Süppchen, weil es Hunger gibt, nicht weil es verkauft werden soll.
Volly Tanner: Und an der Heimatfront? Wie siehts familiär aus? Stehen alle hinter Dir?
Anja Skonieczny: Jap, mittlerweile schon. Mein Vater ist leider vor 8 Jahren, nach langer Krankheit, verstorben aber sein Bewusstsein lebt in mir weiter. Er wäre, glaube ich, sehr stolz auf meine Entscheidung, diesen Weg so zu gehen, wie ich es eben tue! Er hat viele wesentliche Eigenschaften von mir geprägt, vor allem meine Kreativität geht zu großen Teilen auf sein Konto! Mein Freund hat mich auch von Anfang an bestärkt und nicht ganz unwesentlich dazu beigetragen, dass ich mit großen Schritten meiner Selbstständigkeit entgegen gelaufen bin. Meine Mama war am Anfang eher Skeptiker, bzw. eben besorgt, weil meine angestrebte „Karriere“ kein besonders sicheres Pferd ist und naja, weil sich Muttis, denke ich, eben auch einfach immer ein bisschen mehr sorgen. Mein jüngerer Bruder hatte, glaube ich, gemischte Gefühle aber alles in allem stehen sie heute alle hinter mir und geben mir, jeder auf seine Weise, den manchmal nötigen Rückenwind. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar!
Volly Tanner: Danke für Deine Antworten, Anja.
Anja Skonieczny: Danke für dein Interesse Volly.
MIMA
Anja Skonieczny