Wir möchten keine Fließband-Menschen sein (Maria Lev im Interview)

erschien ebenfalls schon in der Leipziger Internetzeitung:

Maria Lev ist DJane IT-Sicko und – wie in der Leipziger Internetzeitung schon beachtet – eine Tausendsassarine im Undergroundsegment der Popkultur. Kurz vorm nächsten Schlag in die Magengrube der Tanzwilligen – dem Sechten Gothic Pogo Festival – am nächsten Wochenende, stellen sich Fragen & Volly Tanner stellt diese hier auch:

Hallo Maria. Vom 09.06. bis zum 13.06. gibt’s in der Damenhandschuhfabrik zu Leipzig das Gothic Pogo Festival VI. Was ist denn Dein Part dabei?

Die Gothic Pogo Party und das alljährliche Festival habe ich 2005 unter meine Fittiche genommen. Wir haben einen festen Kern aus 10 Leutchen, die sich engagieren und mithelfen. Ich halte die Schäfchen zusammen und übernehme die Organisation, Werbung, Booking etc.

GPF VI – schon das Sechste und dies während des WGT. Gibt es Verknüpfungen? Abgrenzungen? Andersartigkeiten? Warum genau und gerade zu Pfingsten?

Die Idee zur Pfingst-Veranstaltung entstand 2000, als das WGT kollabierte und sämtliche DJs aus der deutschen Deathrock-Szene aus dem Chaos heraus eine Initiative ergreifen mussten, sich vereinigten und in der Halle4/1 auf der Agra ihr eigenes Ding veranstalteten. Der zweitägige Event erhielt einen solch hohen Zuspruch, dass man beschloss, die Veranstaltung zu wiederholen. Von da an fand sie jedes Jahr statt – im Werk II/Halle 5, Tangofabrik, Kulturbundhaus, E35 und letzten Endes in der alten Damenhandschuhfabrik. DJ Darkland, 2000 mit von der Partie, taufte sie entsprechend seiner monatlichen Veranstaltung Gothic Pogo Party,  also die Gothic Pogo Pfingst Party. Damals noch in der Tangofabrik. Nach meiner Übernahme 2005 haben wir verstärkt mit live acts gearbeitet, sowie anderen Veranstaltungen und Veranstaltern aus aller Welt, daher Festival.

Was ist das Besondere an Eurem Angebot? Seid Ihr mehr Underground? Und was soll das überhaupt sein, dieses Gothic Pogo, dieses Batcave?

Die Gothic Pogo Pfingst Party (ursprünglicher Name) hat sich ergänzend zum WGT herausgebildet, weil diese Richtung noch nicht bedient wurde. Damit mein ich die Deathrock/Batcave/MinimalWave Szene, die wirklich nur ein Bruchteil der „schwarzen Szene“ ist. Sozusagen eine Subkultur der Subkultur. Intensivere Zusammenarbeit mit dem WGT liegt nicht in unserem Interesse, weil es gegen bestimmte Prinzipien verstoßen würde und nicht mehr das wäre, was es ist. Es geht nicht darum, Profit aus der kleinen Kultur zu saugen, sondern um nostalgische und ideelle Werte. In dem was wir tun steckt viel mehr Liebe und Seele.

Am Freitag gibt’s bei Euch eine Horror Burlesque Show – Burlesque feiert ja gerade allerorten Erfolge – was aber ist bei Euch anders? Haben die kleinen Nippelwedler bei Euch kleine Totenköpfe dran?

Hehe. Scheint wirklich so zu sein. Zugegeben, ich habe mich vorher nie damit beschäftigt. Als die Anfrage kam, fand ich die Idee interessant und es ist mal etwas anderes. Die Show wird schon in die Richtung Zombie gehen. Ob es auch kleine Totenköpfe werden, da lassen wir uns überraschen.

Die von Euch anvisierte Zielgruppe – ewig der goldenen Zeit des Batcave-Clubs Nachtrauernde oder gibt’s da auch einen Blick in die Zukunft?

Der Londoner Batcave-Club ist nun mal der Ursprung, klar. Aber es haben sich mittlerweile sehr viele neue Bands und Musikrichtungen herausgebildet, angelehnt an den GothRock der 80er Jahre. Wir versuchen jedoch auch ein gutes Gleichgewicht zum MinimalWave (so heißt es heutzutage) zu finden. Die Szenen überschneiden sich ganz arg und in der Richtung wird auf dem WGT bis heute noch nichts bedient. Es gibt sehr viel Potenzial dahingehend. Ich bin für alle Entwicklungen offen.

Der Batcave-Szene wird gern eine völlige Überhöhung der Körperlichkeit nachgesagt, vermischt mit Magersüchtelei und Drogenzugewandtheit. Ist da was dran? Alles nur Vorurteile?

Überhöhung der Körperlichkeit – ja. Jeder sieht in sich ein Kunstwerk und es steckt viel Zeit und Kreativität in jedem einzelnen Outfit, das selten einem anderen gleicht. Sehr individuell und selten anderweitig so ausgeprägt wiederzufinden. Magersüchtelei und Drogenzugewandheit definitiv nein. Die meisten unserer Gäste legen viel Wert auf Ästhetik, aber mit Magersucht hat das nichts zu tun. Gute Bildung und anerkannte Berufe sind nicht selten. Stark ausgeprägtes Umweltbewusstsein auch.

Samstag gibt’s das allererste Konzert von NachtAnalyse. Wer isn das? Lohnt sich das, dorthin zu kommen? Und warum?

NachtAnalyse ist ein MinimalWave – Projekt. Wer diese Musik mag, für den wird es sich mit Sicherheit lohnen. Wir haben auch in den vergangenen Jahren versucht, kleinen, noch unbekannten live acts eine Möglichkeit zu bieten, sich international zu präsentieren. Für viele war die Gothic Pogo Party ein gutes Sprungbrett, Beachtung zu bekommen. Und darum geht’s. Von Leuten für Leute.

Wenn ich den Namen der Organisatoren des Zombie Walks nachforsche lande ich recht schnell bei eigenartigen politischen Strömungen. Nun ist die Symbolik bei Euch ähnlich, das ganze Batcave/Zombie-Ding, ist die gesellschaftliche Relevanz überhaupt ein Thema oder geht’s nur um die Balz, wie bei den Volkspalast-Ü-30-Partys?

Dass der Zombie-Walk mit politischen Strömungen zu tun hat, ist mir neu. Sind wir politisch? Vielleicht. Rechtes Gedankengut und Rassismus findet keinen Platz bei uns. Alles Andere ist zweitrangig. Politisch, unpolitisch, religiös, atheistisch, wie sexuell orientiert – völlig egal. Uns verbindet eine gewisse Abart, die wir jedoch über Musik und uns selbst ausdrücken. Aggressionen und Gewalt gibt es nicht. Mit der gesellschaftlichen Relevanz würde ich soweit mitgehen, dass ich sage – wir möchten keine Fließband-Menschen sein.

Was wünscht Du dir persönlich für Pfingsten 2011?

Dass es wieder so einzigartig wird, wie all die Jahre zuvor.

Danke Maria.

GPF VI; Damenhandschuhfabrik;

http://www.damenhandschuhfabrik.de/home/icalrepeat.detail/2011/06/09/54/-/gothic-pogo-festival-vi

Text & Bild: Volly Tanner

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