erschien gerade im FRIZZ Stadtmagazin:
Manchmal muss man als Journalist auch aus der engen Freundschaft heraus berichten. Da journalistischen Abstand zu wahren – und das „Sie“ als Anredeform zu nutzen – ist fast unmöglich. Deshalb wird im folgenden Gespräch auch konsequent geduzt, schließlich sind Markus Böhme und Volly Tanner seit Jahren auf dem selben kulturellen Boot tätig – dem Helheim – und dieses scheint in schweren Wassern zu schlingern:
Hallo Markus, die Spatzen krakeelen es von den Dächern in unterschiedlichster Ausprägung: Das Helheim ist insolvent! Stimmt das eigentlich wirklich? Wie ist denn der genauer Stand derzeit?
Hallo Volly, genau muss das zahlungsunfähig heißen bzw. droht die Zahlungsunfähigkeit. Wie auch immer, ich sah mich gezwungen Anfang Juni Insolvenz zu beantragen, wobei durch einiges hin und her, nicht zuletzt wegen der neuen Insolvenzverordnung zum 01.07.2014, noch kein Insolvenzverwalter bestellt und so außer Vermutungen noch nichts klar ist.
Da das Helheim von mir als Einzelunternehmer geführt wird ist Geschäft und Privates eins, sodass hier schon spannend wird, ob das eine Regel- oder Privatinsolvenz wird. Oder auch gar keine, mangels Masse zum Beispiel.
Kannst Du die Schwachpunkte spezifizieren – für unsere Leserschaften – woran haperte es? Meines Gefühls her lief der Laden doch gut.
Nun ja, da muss ich sehr weit ausholen, denn die Ursachen liegen tief in der Geschichte des Ladens begraben. Das erspare ich uns mal an dieser Stelle, ich arbeite aber mit dem Helheim und nicht zuletzt durch den Bandhaus-Tresen seit Jahren gegen alte Verbindlichkeiten an, die durchaus weniger geworden sind. Aber Mahnungen, Vollstreckungskosten oder einfach nur die Nebenkosten, wenn man ohne Konto arbeitet, verteuern den Spaß ins Unermessliche. Rücklagen konnte ich noch nie bilden, auch wenn da jeder Experte den Zeigefinger hebt und sagt: ich soll. Und dann ist es nur eine Frage ungünstigen Timings, dann passiert so was. Gleichzeitige Fälligkeiten (Auslöser ist immer wieder das FA), ein paar Wochen läuft es nicht, wie es soll, der Ausblick in den Sommer offenbart das gewohnte Loch. Das reicht.
Du sagtest einmal, dass Du Dich nicht dem totalen Zwang zum Wachstum unterwerfen willst – dass Du das Helheim als „Hort der vom Kreiseln-Ermüdeten“ siehst. Wie kann so etwas aber funktionieren, wenn all die Anderen immer nur an den Schrauben drehen?
Nee, das hab ich nicht gesagt. Aber ich kann ja mal versuchen, den Gedanken zu verstehen & Stellung zu beziehen.
Sicher hat das Helheim einen starken anachronistischen Moment, es ist vielmehr Wohnzimmer als Eventbude, alle hier beackerten Kultur- und Subkulturfelder sind aus einer bestimmten gesellschaftlichen Mitte her betrachtet brotlos, schräg bis asozial. Aber müde am kreiseln ist da keiner, der Ausgangspunkt für alles Schaffen ist eben nur nicht die Kohle, die am Ende rauskommt. Die ist eher das Mittel zum Zweck, an das man eben auch denken muss. Eine Lesung mit fünf Leuten ist nicht überflüssig, nur weil nicht 25 da waren – als Beispiel, wobei hier selten nur fünf Leute zu einer Lesung sind, das Helheim hebt den bundesdeutschen Schnitt seit Jahren.
Und so, wie das hier läuft läuft es auch, wenn nicht immer Vergangenes bedrohlich ins Hier und Jetzt greifen würde. Angemessene Preise beispielsweise werden von allen akzeptiert, ein Einnahmeproblem in dem Sinne hab ich gar nicht. Zu viel Verwaltung, zu viele willkürliche Kosten, zu viel Ärger mit all dem – nur das sind die Probleme und das macht es überhaupt erst ärgerlich.
Was sind die Highlights des Spätsommers im Heim? Ab Anfang August so?
Da gibt es einige! Wobei vor allem die Lesungen weit vorgeplant sind, im August ist jeder Donnerstag belegt, ja auch mit einer Terrasse und zwei Spät-Lesungen wie im vergangen Jahr. Im September kommt Jaromir Konecny wieder ins Heim, im November auch schon traditionell Dirk Bernemann.
Konzerte und Parties organisieren sich noch, OLD SEED kommt im Oktober wieder, die Woche zum 9ten Helheim-Geburtstag (KW 42) wird dicke. Da jetzt so viele Leute mit anfassen wird man sich zukünftig auf viel mehr Parties bzw. musikalische Themenabende (bei Musik sind wir im Metal – um Missverständnisse zu vermeiden. Das muss so bleiben.) mit und ohne Motto freuen können. Ich bin selbst gespannt. Klar wollen auch alle die Kochshow wieder. Ich bin selbst gespannt.
Und Du selber? Warum machst Du das eigentlich weiter? Es gibt doch so viele Menschen, die einfach nur Fernsehen schauen und den Sommer vergrillen. Was treibt Dich?
Naja, ich selbst bin da durchaus ein wenig hin- und hergeworfen. Wenn es niemanden groß interessiert hätte, ob das Helheim offen ist oder nicht wäre es für mich auch gut gewesen. Ich wollte eh nur fünf Jahre und jetzt sind es beinahe neun.
Nun interessiert das aber sehr viele, ich habe wirklich das Gefühl, dass man die ganze Situation positiv nutzen kann, nicht nur die Finanzen betreffend sondern für mich vor allem hinsichtlich der Arbeitsbelastung, die mit Zeit anfängt und bei permanentem-alles-entscheiden-müssen aufhört. Da es mir natürlich auch lieber ist, das Helheim existierend zu wissen, als einfach nur als abgehakten Lebensabschnitt, kommt so derzeit einiges an Motivation zusammen – also geht’s weiter.
Text & Bild: Volly Tanner