Nicht ganz so sexy – aber brennend! (mein Text zum 10jährigen der Bandcommunity Leipzig)

 

Herr Lehmann torkelte trunken und erstmals vor zehn Jahren über die großen Leinwände der Lichtspieltheater dieses Landes. Wir schauten ihm und seinen Freunden im frisch vernähten Berlin zu und schmunzelten.

2003.

Tekkno schien fast überstanden. Doch eine Castingwelle kündete von noch viel Schrecklicherem. Da halfs auch nicht, dass Modern Talking die Flinte warfen.

Dunkle Zeiten. Deutschlandweit.

Selbst Maurice Gibb flüchtete ins Nirwana.

In Leipzig stand der Stern über der Burg auch nicht zum Besten. Seit der Wende hatte sich eine „Neue Kulturschickeria“ herausgebildet und parasitär an den Fressnäpfen festgesaugt.

Junge Bands trugen Wut und Krach und Trauer ob des Unverständnis und des Einigelns ihrer Vernetzer-Vor-Leute von der IG POP oder IG ROCK oder IG Populär oder wie sich die kleine – in den Erstjahren auch verdient gemachte aber später nur noch Funktionsträgerschaften aussitzende – Truppe noch so nannte.

Es wurde Zeit für Veränderung.

Und zwar ganz gewaltig.

Echt harte Musikanten. Da beißt sich so manches Stadtmag die Zähne dran aus!

Echt harte Musikanten. Da beißt sich so manches Stadtmag die Zähne dran aus!

Ich selber tourte mir damals den Hintern wund. Deutschland. Schweiz. Österreich und die Tschechische Republik.

Während Daniel Küblböck, DSDS-Alexander und die No Angels die Radios befüllten erschien mein Opus „Berlin muss brennen! Punk & Roll!“ und dadurch agierte ich eben auch etwas derangiert in Sachen Engagement für die Szene.

Klar, ich schrieb für´s Mainstreamvolk, was mir so auffiel.

Aber wie der Kochtopf unter Druck stand, so richtig, dass bekam ich erst später mit.

Mich nervte das ganze Gedöns um die Hamburger Schule und ihre Ableger in Leipzig, die Herrenmenscheneinstellung vieler Popmusikanten und ihrer sie hochjubelnden Musikredakteure der Stadt, aber ich ahnte, dass auch bei diesem Hype der Zahn der Zeit seine Reminiszenz zu leisten in der Spur stand und die kleinen Goldbubies von dannen nagen würde. Was ja dann auch so war; Ende Gelände Baby für Popgemaule und Besserwisserei.

Was blieb war eine fleißige, manchmal sehr ruppige, aber immer weiterarbeitende Struktur, die von den Hippen und Hipstern, von den SPEXlesern und KREUZERaugen gern belächelt, ja herablassend befaucht wurde – die BANDCOMMUNITY LEIPZIG, mit all ihren Punxxlern, Metallisten, Stonern und Hippies.

Vielleicht sind die Mädels und Jungs von der BC nicht ganz so sexy oder fotogen, doch sie beherrschen ihr Handwerk und brennen für ihre Stadt.

Sie nagelten Konzepte an ihre Traumschlösser, die mittlerweile mehr FUNdament haben als so manche Mediadaten von Hochglanz-LifeStyle-Magazinen.

Da gab es BESSERE ZEITEN, Burning Ballroom, Stubenrocker, Sport ist Mord! und mittlerweile im dritten Jahr ein Familienfest, weil Musikanten eben auch Mitmenschen sind – das HIPPIE YEAH!. Und ich durfte mittrinken, unterstützen, den Namen BESSERE ZEITEN FESTIVAL mitausknobeln und beerdigen und moderieren, heroisieren, applaudieren. Und im BANDHAUS Leipzig den langen 27Minüter HOWL von Ginsberg in die Ohren feierwütigen Volks malträtieren.

Die waren vielleicht von den Socken. Ha!

Und es entstanden Freundschaften.

Zu jeder einzelnen Figur des BC-Zirkus zerrt mich ein warmes Gefühl, weiß ich doch, dass ich ihrer sicher sein kann, dass sie den Boden beackern und furchen wird für die Stadt in der ich gerne leben möchte irgendwann.

Nicht schreiend und palavernd und sich selbst bespielend, sondern stets und ständig und kraftvoll und miteinander.

Zehn Jahre sind kein Pappenstiel. Zehn Jahre sind ein ganzer Berg voll Nächte. Zehn Jahre haben mir graue Haare gebracht und einen leicht desorientierten Magen – aber eben auch eine Familie und Heimat.

Und ein ganz dickes Stück davon seid IHR!

Volly Tanner im April 2003 (viereinhalb Stunden vor meinem 43ten Geburtstag)

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