erschien auch schon im FRIZZ Leipzig:
Das letzte Wort in diesem Monat hat Mike Nagler. Der Blockupy-Aktivist ist einer der Initiatoren des aktuellen Bürgerbegehrens für eine Privatisierungsbremse und Sprachrohr der Leisen und An-Den-Rand-Gedrängten in Leipzig. 2009 musste er sich mit einem 3 % Abstand dem siegreichen CDU-Mitbeweber auf einen Sitz im Bundestag geschlagen geben. Heuer hat er vor, den Spieß umzudrehen. Der Architekt und Bauingenieur ist neben seiner unterstützenswerten politischen Arbeit auch noch ein wirklich guter Mann. Und er hat – unseres Erachtens nach – Recht.
Herr Nagler, vollenden Sie bitte diesen Satz: An Leipzig hat mich in letzter Zeit besonders aufgeregt, dass …
… die Leipzigerinnen und Leipziger für die Zockereien korrupter Manager der Wasserwerke im globalen Finanzcasino viele Millionen Euro blechen sollen.
Was muss sich ändern?
Da könnte ich jetzt vieles aufzählen: Zum Beispiel muss die Kontrolle der kommunalen Unternehmen verstärkt werden. Auch wenn kriminelle Machenschaften nicht immer verhindert werden können, hat die Gutgläubigkeit bis Hörigkeit der Politiker gegenüber Konzern- und Bankmanagern nicht nur in Leipzig in ein Desaster geführt. Wir brauchen ein Programm für eine soziale Stadtteilentwicklung, um den steigenden Mieten und der Bildung von Problemstadtteilen etwas entgegenzusetzen, und wir brauchen natürlich auch mehr Kitaplätze und und und … Aber was wir vor allem brauchen, ist ein neues Denken, eine andere Sichtweise auf die Welt. Wir müssen begreifen, dass der Glaube an die alles beherrschende Kraft des Marktes ein Irrglaube war und ist und immer sein wird. Was wir brauchen ist ein solidarisches Miteinander, eine Perspektive, die den Menschen mit all seinen Wünschen und Ängsten und Nöten in den Mittelpunkt stellt, und nicht irgendwelche Renditeforderungen und abstrakte Wachstumsziele.
Wie würden Sie Leipzig jemandem beschreiben, der die Stadt nicht kennt?
Leipzig ist eine schöne, lebendige, vielfältige Stadt – gar keine Frage. Leipzig ist aber auch die Armutshauptstadt Deutschlands. Und eine Stadt, die mit zahlreichen Problemen zu kämpfen hat, etwa mit Privatisierungen, mit Fluglärm oder mit schlechten Arbeitsbedingungen, wie das Beispiel Amazon zeigt, um nur eines zu nennen.
Alles in allem also eine sehr widersprüchliche Stadt. Aber ich lade jeden ein, sich diese Widersprüche selbst anzuschauen und sie in seinem Sinne zu verändern.
Welcher Ort ist Ihnen der liebste in der Stadt?
Die sonnigen Wiesen im Clara-Zetkin-Park …
Wenn Sie in die Zukunft schauen, welche Pläne und Visionen haben Sie?
Ich würde, zusammen mit den vielen Helferinnen und Helfern, gern das Bürgerbegehren für eine Privatisierungsbremse erfolgreich zu Ende bringen und damit langfristig etwas gegen den Privatisierungswahnsinn in Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge tun. Und natürlich möchte ich auch in den Bundestag einziehen. Nicht, weil ich Leipzig verlassen und es mir in einem schönen Büro in Berlin gemütlich machen will, sondern weil ich die Art von außerparlamentarischer Politik, die ich seit Jahren betreibe, in den Bundestag tragen will. Ich träume von einer Demokratie, in der die Entscheidungen nicht in Hinterzimmern getroffen werden – eine Demokratie, die die Bürger in Entscheidungsprozesse einbindet, anstatt sie vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Worauf freuen Sie sich in der nächsten Zeit besonders?
Auf unser globaLE Filmfestival. Das findet bereits seit 2004 statt und läuft ab jetzt jeden Donnerstag Abend an verschiedenen Orten in der Stadt. Der Eintritt ist frei und es gibt neben interessanten Filmen spannende Diskussionen mit Filmemachern und Gästen. Hierzu lade ich alle recht herzlich ein! Es lohnt sich!
Webseite: www.mike-nagler.de
globaLE Filmfestival: www.globale-leipzig.de
Brgerbegehren: www.privatisierungsbremse.de