für die Leipziger Internetzeitung geschrieben:
Am 04.06. (und am 05. & 07.06.) gibt es im NEUEN SCHAUSPIEL LEIPZIG junges, frisches und selbsterdachtes Theater. Die Gruppe FormLos, die letztes Jahr bei den Amateurtheatertagen 2010 im Lofft am Lindenauer Markt unangefochten den Sieg erstritt, legt nach. Neues Stück, Veränderungen und Bleibendes und glücklicherweise hier in der L-IZ auch mal der Platz ausführlich zu antworten. Textschreibend – obwohl alle jungen Damen da mittun – hat Laura Kröner das Krönchen auf – und hier den Part der Widersprecherin. Diaz: déjà vu – na dann kann es ja losgehen:
Beste Laura. Warum diese Sorte Theater? Mit Bauerntheater könntet ihr doch richtig viel Geld verdienen – aber nun so was.
Warum wir nicht ein spannende Geschichte erzählen? Nicht ein Stück nehmen, das es schon gibt?
Sondern Theater/Performance machen?
Es kann daran liegen, dass, wenn ich schreibe, ich eigentlich nicht stringente chronologische Geschichten verfasse, sondern Gedankenfetzen, Bilder und Eindrücke aufschreibe. Wie ein Sammelsurium an Fragmenten. Die sich aber doch irgendwie auf einander beziehen, assoziativ verbunden sind. So gestaltet sich dann auch das Konzept einer Produktion.
Etwas genauer bitte.
Fragmentarisch und assoziativ, aber zu einem bestimmten Thema, welches aber nicht vorher schon fest steht, sondern sich aus dem Stöbern im Material ergibt und dann daran weiter gearbeitet wird.
Bei dieser Produktion („Diaz: déjà vu“) kam die Idee zu dem Konzept zwar auch durch einen Text, den ich geschrieben habe, aber auch durch den spontanen Wunsch mal mit einem alten Diaprojektor zu arbeiten. So wie in der letzten Produktion Farbe das zentrale Element war, steht diesmal der Diaprojektor im Zentrum. Wichtig ist dabei für uns, dass wir uns bewusst mit dem eingesetzten Mittel auseinandersetzen, sodass es eben nicht mehr nur bloß ein Mittel zum Zweck ist, sondern ein „eigenständiger Spieler“, eine eigene Ebene dadurch entsteht, die etwas „erzählt“.
Gemeinsam versuchen wir dann die Ideen auf die Bühne zu bringen, mit den Mittel, die wir haben und mit dem was wir können.
Dadurch, dass es keine Rollen im klassischen Sinne gibt und auch keine Festlegung der Spielerinnen auf bestimmte Typen, kann jede alles ausprobieren und verschiedene Formen durchlaufen, genauso, wie die Produktion. Dadurch, dass wir in unserer Gruppe – auch wenn wir alle Theaterwissenschaftlerinnen sind – unterschiedliche Vorlieben, Wissen, Erwartungen und Erfahrungen an und mit Theater mitgebracht haben, entstand diese collagenartige Form.
Sie ermöglicht es mit verschiedenen Stilen zu experimentieren, sodass wir nicht in einer bestimmten (typischen) Dramaturgie festsitzen (obwohl das natürlich auch wieder eine Art von Dramaturgie ist), sondern flexiblen kreativen Strukturen haben, die sich biegen und öffnen lassen, sodass niemand in etwas rein gezwungen wird (was er nicht machen will oder kann) und doch jeder sich neuen Herausforderungen stellt. Deswegen wohl nicht nur Theatergruppe. Und deswegen auch wohl unserer Gruppenname: FormLos.
Ihr seid derzeit noch hauptsächlich in Leipzig aktiv. Ist unsere Stadt ein gutes Feld für Experimente oder ist die Scholle verkrustet und undurchlässig?
Abgesehen von dem vielen Leerstand, der sich wunderbar für kreative Zwecke nutzen lässt, bietet auch die Offszene hier in Leipzig einen Zugang, und der verbirgt sich nicht hinter goldenem Samtvorhang. Meine bisherigen Erfahrungen und das, was ich von anderen freien Theatergruppen weiß, bestätigt das. Es gibt genügend Anlaufstellen, wo man mit Menschen in Kontakt treten und mitmachen kann und wo Räume zur Verfügung stehen. Also lernen und ausprobieren ohne gleich in ein finanzielles Loch zu fallen – und wenn möglich auch über ein „Projekt“ hinaus weiter bestehen können. Außerdem gibt es in Leipzig auch das Publikum, welches sich für Offtheater interessiert und nicht nur für Stadttheater, welches meiner Meinung nach ein Konzept ist, das in vielen Punkt längst überholt ist.
…Ansonsten wartet ja noch die leerstehende Industriehalle auf uns.
Und Du persönlich? Wo willst Du hin? Privat auch – aber eben besonders beruflich?
Die Frage knüpft wunderbar an das Ende der vorherigen Antwort an. Nämlich wie es weiter geht.
Zunächst mit FormLos. Vor Kurzem haben wir entschieden, für die nächste – längere Zeit so weit wie möglich bestehen zu bleiben. Das heißt, uns als Kollektiv fester zu etablieren, mit dem Stück auf „Tour“ bei Festivals zugehen – es quasi ins Repertoire auf zu nehmen. Weitere neue Produktionen zumachen. Das Ganze noch ein Stück weiter zu professionalisieren, an höhere Priorität zu setzten, weil es eben nicht mehr nur ein Projekt ist.
Privat? Schwer zusagen. Momentan liegt viel von meinem Herz an dieser Theatersache. Das erfüllt mich bzw. ich verwirkliche mich damit und es macht Spaß und ich bzw. wir alle lernen viel und das nicht nur mit Blick aufs Theater, sondern fürs Leben – wahrscheinlich sogar mehr dafür. Was ich dennoch nicht aus den Augen verlieren möchte ist: reisen bzw. nochmal eine Zeit lang woanders zu leben und zuarbeiten. Das kann weit weg sein, aber auch nah. Frankreich, wo ich schon mal gelebt habe, zieht mich immer noch an. Vielleicht ergibt sich so eine Kombination aus Zentrum in Leipzig und Reisen und arbeiten in der Welt.
Und noch so ein Ziel im Kleineren oder sagen wir eher im Inneren ist: weniger Stress, mehr schreiben…
und vielleicht auch irgendwann mal was veröffentlichen.
FormLos ist rein frauenbesetzt. War dies Zufall oder schwingt da ein Konzept mit?
Man(n) ist natürlich leicht dazu verführt, dem eine feministische Philosophie anzuhängen, angesichts dessen, dass wir eigentlich nur Frauen sind (abgesehen von unserem temporären musikalischem Mitglied). Entstanden ist das eigentlich nur aus Zufall. Es gibt einfach wirklich viele Theaterwissenschaftlerinnen, also dieser Studiengang weist eindeutig eine weibliche Dominanz unter den Studenten auf.
Eine der Spielerinnen und ich hatten schon seit längerem das Vorhaben Theater zu machen, da uns die ganze ferne Theorie unseres Studiums nervte und wir das eigentlich deshalb studieren, weil wir etwas von seinem Gegenstand wollen – Theater. Zum Glück haben wir uns dann alle so mehr oder weniger zufällig zusammen gefunden.
Uns ist die Homogenität unserer Gruppe bewusst (wir wurden schon oft danach gefragt warum wir nur Frauen sind) und klarerweise spielen wir auch damit, aber es ist keine gezielte feministische Position, die wir damit beziehen. Wir sind einfach wir. Wir wollen was machen und machen das -und sind dabei auch Frauen. Nebenbei fühlen wir uns auch wohl, so als und unter Frauen – um auch mal mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass dann gezwungenermaßen „Zickenterror“ ausbrechen muss.
Zusätzlich tut es der Arbeitswelt und ich glaube auch besonders der Künstlerwelt mal ganz gut eine Wucht Frauen als Konkurrenz zu haben – auch in autonomen selbstständigen Interpreten Positionen – die doch oft noch vornehmlich von Männern besetzt sind.
Diaz: déjà vu/ FormLos-Premiere im Neuen Schauspiel Leipzig, 04.06.11 (weitere Aufführungen 05. & 07.06.11); Lützner Straße 29
http://www.neues-schauspiel-leipzig.de/details/diaz-dja-vu,98