dieser Beitrag erschien schon im FRIZZ LEIPZIG Februar 11/ hier jedoch in der ungekürzten Version:
Subkultur darf ruhig subversiv sein. Jugend muss sogar radikal sein, sonst verschläft das Land. Eine Band, die ihre Aufgabe, den Lack zu zerkratzen, wirklich ernst nimmt sind The Heroine Whores aus Leipzig. Und das letzte Jahr brachte ihnen schon richtig Aufmerksamkeit und geballte Ablehnung. Aber von manchen Menschen möchte man auch einfach nicht geliebt sein. Tarcy Mirinda, die räudigste Elfe der musikalischen Landschaft, kam zum Absinth zu Ray Voltez und hob so manchen Mittellfinger im Gespräch mit ihm:
The Heroine Whores sind ja richtig auf der Überholspur. Grungokalypse in Bayern, Gig in Tschechien, Esperantotreffen und x Gigs in Leipzig. Dazu der ganze D.I.Y-Merchkram – liegt für 2011 schon etwas in den Startlöchern?
Unser Motto für dieses Jahr ist: „JA ÄH NÖ WEITER; NE? Was ist D.I.Y.?“ und dass wir ein Album aufnehmen und wieder viele Gigs spielen möchten, d.h. einfach an das letzte Jahr anknüpfen wollen. Dieses Jahr wird ein echtes Grungejahr, da viele unserer befreundeten Grungebands ebenfalls Albumpläne und Gigs im Auge haben, u.a. auch mit uns. Man darf also gespannt sein was dieses Jahr bringen wird, vielleicht ein Hype wie 1991?! (lacht.)
Mittlerweile seid Ihr auch eine richtige „Leipziger“ Band mit Proberaum in Plagwitz. Wars zu langweilig in der stadtnahen Diaspora, dort rund um Naunhof?
Ja, erstens war´s zu langweilig und zweitens hatten wir einige Probleme mit der rechtsradikalen Szene in Naunhof und Umgebung … Und Leipsch rockt einfach wie de Hölle! Wenn Lemmy eine Stadt wäre, wär´ er Leipzig. Der Proberaum ergab sich und wir finden ihn großartig, er reflektiert uns als Band sehr stark – schmutzig, selbstorganisiert, unordentlich, vollgestopft, träumerisch, gemütlich, laut und wild. Wir fühlen uns dort sehr wohl und hoffen dass wir dort länger werden bleiben können als in unseren vorherigen 2 Proberäumen.
Grunge scheint, wie so viele Jugendkulturen, nicht auszusterben. Gibt es Gründe für Grunge?
In dieser Szene ist es wunderbar leicht, sein eigenes Drogenproblem mit der Musik unter einen Hut zu bekommen. Außerdem ist es eine sehr leidenschaftliche und energiegeladene, sowie sehr ehrliche Musik. Ich glaube es gibt heutzutage kaum eine ehrlichere und aufrichtigere Musikrichtung als Grunge. All das emotionale Leid, dass in den Medien zurückgestoßen wird, fasst der Grunge, wie gesagt LEIDENschaftsVOLL , verpackt in Melodien und Texten, auf. Es ist eine herzliche und offenbarende Musik. Man kann das Innerste nach außen kehren, ohne sich dafür schämen zu müssen, man kann laut rumschreien und fluchen und die Obrigkeit angreifen und auf sie spucken, man kann aber auch seine Gitarre nehmen und sie zerschlagen. Viele würden sagen „Oh nein, diese schöne Gitarre, die hat doch Geld gekostet!“, aber ICH sage: Es ist EIN Ausdruck meines Zornes und der Wut und der Verzweiflung, der da aus mir herausbricht. Eben weil so viele Emotionen im Spiel sind. Ich kann keine Lieder schreiben, wenn ich in diesem Moment nicht zutiefst emotional berührt bin. Und diese Berührung vertausendfacht sich auf der Bühne und wenn man die Energie des Publikums zu spüren bekommt, dass diese junge Menschen auf dein Schreien mit Schreien antworten – sie schreien DICH an! – ist das ein Ausdruck der gequälten Jugendlichen von heute. Sie werden gequält mit all möglichem Scheiß und dann wird ihnen vorgegaukelt alles wäre fantastisch und bunt und müsse gekauft werden und konsumiert, konsumiert meine lieben Kinder, die Gefräßigkeit hat noch nicht genug in sich hineingestopft! Sie schreien ihre Wut und ihre Verzweiflung über Hass und Krieg, Gewalt, Ungerechtigkeit, Obrigkeit, Morde, etc. hinaus. Und genau eine dieser Jugendlichen bin ich. Und ich schreie das heraus was mir nicht passt, meist in zwischenmenschlichen Beziehungen, weil es mich bedrückt und es muss raus aus mir, sonst würde ich kaputt gehen. Naja, um es zusammenzufassen, der Grunge fängt mich auf, er gibt mir die Plattform das zu tun und auszusprechen, was ich will, durch ihn kann ich sein wer ich bin.
Eure CD kracht ja ganz schön rein, Poppuristen bekommen das große Heulen, Studiobesitzer fürchten sich vor einem Erstarken Eurer Herangehensweise. D.I.Y. – ohne Kohle aber mit viel Wut. Dazu bekennt ihr euch auch noch zum Räudigsein. Erschrecken sich potenzielle Schwiegereltern schon vor Euch oder wie löst Ihr das Problem?
Wir haben keine Freunde und keine Familie mehr – sie haben sich unter dem Druck unseres Andersseins von uns abgewendet. Wir wollen uns in das System infiltrieren und die Gefräßigkeit von Innen heraus zerstören (bitte nicht weitersagen, ist ein Geheimnis…). Aber ehrlich gesagt, mein Freund kommt ganz gut damit klar, er kann es gerade so akzeptieren, dass ich vielleicht auf den ersten Blick erschreckend auf viele wirke, aber auf den zweiten meist noch viel mehr. Unsere D.I.Y. Vorgehensweise charakterisiert unsere Band sehr stark. Wir machen fast alles selbst, soviel, wie wir eben selbst hinbekommen um es den Leuten, die unsere Musik mögen, erleichtern zu können, Kram von uns zu erwerben. Viele in unserem Alter haben einfach nicht das Geld, um sich 15 Euro teure CDs und BandT-Shirts zu kaufen. Das liegt uns sehr am Herzen – Probleme, die wir selbst kennen, versuchen zu vermeiden, um nicht wie die zu werden, über die wir uns manchmal ärgern.
Leipzigs Musikszene – berührt sie Euch? Interessiert sie euch überhaupt? Das ganze Kuddelmuddel?
Ich würde uns nicht darauf reduzieren, ein Teil der Leipziger Musikszene zu sein, sondern ein Teil der deutschen derzeitigen Grungeszene. Dennoch: Hanne geht z.B. jeden Mittwoch zum Stammtisch der Bandcommunity Leipzig und ist dort sehr engagiert. Wir haben außerdem zwei Bandcommunity T-Shirts im Schrank liegen. Man sieht also, dass wir sehr in der Szene integriert sind. („NEIN Helen, du darfst nicht mitmachen!“) Aber im Grunde genommen, sind wir mit unserer Musik ein bisschen allein in Leipzig, freuen uns daher immer, wenn wir befreundete Grungebands (z.B. Youth Battery) einfliegen lassen können. Aber wir spielen natürlich auch gern mit Leipziger Bands aus anderen Genres zusammen, das erweitert den Horizont.
Gibt es einen Traumgig für 2011?
Überall und nirgends, aber vor allem die USA-Tour gilt es jetzt zu organisieren. Ein besonderer Traum von uns ist es, dank der besonders guten Akustik dort, auf „Kackbalken-Tour“ zu gehen. Nein, im Ernst, wir freuen uns auf jeden Gig, den wir kriegen können und freuen uns schon auf geplante, aber noch nicht genau festgelegte Gigs mit Total Bliss (Grunge aus Hessen) in Leipzig und mit False Fanatics in Aachen. Außerdem hoffen wir noch etwas Akustisches dieses Jahr auf die Reihe zu bekommen, sowie krachende Gigs mit Bands wie z.B. Viole(n)t Bullfrog, Youth Battery, Drunken Hippies, No Entry, Stiftung Warenpest, Nape und hoffentlich auch Pandora zu spielen, etwa auf einer Fortsetzung des Erfolgsfestivals GRUNGOCALYPSE. Natürlich möchten wir die Locations auch mit befreundeten Bands anderer Genres rocken: „42“, BlackViolet, Ruby Fruit, Muzzlemouth und vor allem JANICE, um nur einige zu nennen. Ihr seid natürlich alle herzlich dazu eingeladen.
Danke.
The Heroine Whores for president! Und im denkwürdigen Grunge-Jahr 2011 (20 yrs after the year punk broke) live on stage mit Total Blizz in Leipzig – everyone hopes so!
Die Whores leben und verkörpern einfach diese Musik – und das ist es, was zieht!